Die Arbeit mit Ablösungsprozessen

Das Padlet https://padlet.com/systemischefortbildung/abloesungsprozesse_1 zeigt einen bedeutsamen Teil jener vielfältigen Beziehungen, mit denen wir es in der Beratung von Kunden zu tun haben, die sich in der Lebensphase der Ablösung aus der Herkunftsfamilie befinden.

Auch hier sehen wir wieder (symbolisch), wie viele Wege nach Rom führen können: Bewegt man eines der dargestellten Teile, so hat das Einfluß auf viele der anderen Teile – es kommt schon bei der Veränderung eines Aspektes zu weitreichenden Veränderungen bei den übrigen Aspekten. (Schneeballsystem; Kaskadenmodell)

Wir müssen uns daher nicht allen Aspekten zuwenden, sondern können auswählen. Wir beschäftigen uns im Folgenden mit jenen Aspekten, bei denen wir die Erfahrung gemacht haben, daß die Wahrscheinlichkeiten weitreichender Veränderung am größten sein könnten.

Jene, die noch im Kontext der Herkunftsfamilie leben, befinden sich im Prozeß einer Autonomieentwicklung.

Unser Job ist es, herauszufinden, ob sie dort stecken geblieben sind. Denn dann wäre es unsere Aufgabe, so etwas wie Abschleppdienst zu spielen, damit sie wieder ans Laufen kommen und frei weiterfahren können.

Der große Widerspruch in dieser Lebensphase und -situation besteht darin, daß Autonomieentwicklung und Hilfebedürftigkeit nicht vereinbar erscheinen.

Eine plausible Konstruktion könnte daher sein, daß wir nicht dem jungen Menschen helfen, sondern uns gemeinsam um die Autonomieentwicklung kümmern (Externalisierung) bzw. um eine neue bezogene Individuation.

Die sich daraus ergebenden vielfältigen Optionen für Kooperationen sind grundlegend bedeutsam.

  1. Wir sollten 5 Bereiche der altersentsprechenden Autonomieentwicklung (zunächst diagnostisch) berücksichtigen:
    – körperliche Entwicklung (siehe u.a. auch 10. Und 11.)
    – kognitive Entwicklung (besonders Metakognitionen 1)
    – affektive Entwicklung: Mentalisierungsfähigkeiten (die eigene und die der anderen)
    – Identitätsentwicklung (große Spannbreite)
    – bewältigte Krisen des „Übergangs“
  2. Ist K. von der Herkunftsfamilie „freigegeben“?
    Ist die Herkunftsfamilie bereit für eine Weiterentwicklung bezogener Individuation?
  3. Gibt es Modelle für bezogene Individuation?
  4. Weitere Systemkräfte:
    – die Interaktionsmodi von Bindung und Ausstoßung
    – Delegation
    – Vermächtnis und Verdienst
    – Status der Gegenseitigkeit
  5. Ist K. von der Peergruppe freigegeben?
    Bezogene Individuation ebenso in Kontexten der Peergroup.
  6. Gibt es hinderliche Glaubenssätze? Gibt es hilfreiche, unterstützende Glaubenssätze?
  7. Gibt es Modelle bei denen Autonomieentwicklung nicht gelungen ist?
    Gibt es Modelle für gelungene Autonomieentwicklung?
  8. Gibt es schon Ziele: kurz-, mittel-, langfristig?
    Welche Ressourcen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kontextbedingungen, … …
    a) Werden benötigt?
    b) Sind schon vorhanden?
    c) Müssen noch erfunden, entwickelt oder aktiviert werden?
  9. Unterscheiden lernen zwischen Zielen und Träumen:
    Träume würdigen als Bedürfnissignale! Oder auch als Motivationsmotor.
    Kein „entweder oder“ zwischen Zielen und Träumen, sondern ein „sowohl als auch“.

Störungsspezifisches – abweichende Systeme (psychisch wie psycho-sozial)

  1. Gibt es Rauschmittelkonsum, der das Motivationszentrum (Belohnungssystem) besetzt hält?
    Ist Konsum wichtiger als Autonomieentwicklung?
    Explizit nach THC Konsum erkundigen (in der Vergangenheit; länger als 6 Monate täglich) wegen möglicher Auswirkungen auf das Lernen.
  1. Gibt es andere kommunikative Notprogramme (systemische Abweichungen, siehe Schleiffer)
    Depressiver Modus – Psychotischer Modus – Zwanghafter Modus – und andere
    Siehe auch in der 4. Einheit: 5 Funktionen im Überblick.pdf

Grundlagen für Interventionen

Allparteilichkeit und Neutralität
Aktivität (proaktive Haltung)
Betonung des Konstruktiven (Positiven)
Mobilisierung der Ressourcen (der Herkunftsfamilie)


Siehe auch wieder Wirkfaktoren bei Klaus Grawe:
https://www.klaus-grawe-institut.ch/searchde/?q=wirkfaktoren


1   Metakognition bezeichnet die Auseinandersetzung mit den eigenen kognitiven Prozessen (zum Beispiel Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Aufmerksamkeit, Kreativität). Metakognitionen umfassen zum einen das Wissen und zum anderen auch die Kontrolle (Überwachung und Selbstregulierung) über die eigenen Kognitionen.

2   Die Konstruktion „Modus“ habe ich bei Stavros Mentzos entlehnt.

Siehe insgesamt https://www.wmc.nrw/literatur