Das Doppeln

Wir treffen immer wieder auf Klienten/Kunden, die unklar kommunizieren. Wir spüren, hinter den vordergründigen Erzählungen liegen noch andere. Das Doppeln können wir dann anwenden, um in gemeinsamer Arbeit mit dem Klienten das zu mentalisieren, worüber er sich selbst zunächst nicht im Klaren ist, und zwar in Beziehung zu sich selbst oder in der Beziehung zu anderen Menschen.

„Auch wenn diese Interventionsmöglichkeit für manche neu und im beruflichen Kontext zunächst ungewöhnlich ist, beherrschen wir sie alle mehr oder weniger gut. Vor allem Eltern wenden sie häufig unbe­wusst an. Sie „doppeln“ ihr Kind beispielsweise beim Füttern, indem sie bei jedem Mundöffnen des Kindes unwillkürlich ihren eigenen Mund mit aufmachen oder indem sie Töne, Laute und Bewegungen des Kindes nachahmen oder vormachen und ihr Kind so zum leben­digen Ausdruck anregen.“ (1)

Stellen wir uns ein Gespräch mit einem Paar vor. Beide reden aneinander vorbei. Sie kommen beide nicht auf den Punkt. Auf der Oberflächenschicht der Kommunikation (Inhalt, Information) wird spürbar etwas anderes kommuniziert als auf der Tiefenschicht (Mitteilung, Affekt, Tonfall). Siehe Blog Seminar 8. Einheit. Ziel des Doppelns ist es, beide Schichten anzunähern, eine nahe Kongruenz herzustellen.

Durchführung des dialogischen Doppelns

1._Schritt: Erlaubnis einholen

An das Paar: „Ich höre Ihnen beiden zu und stelle fest, daß Sie beide sich verständigen möchten, aber aus welchen gründen auch immer: Es gelingt Ihnen beiden gerade nicht. Ich habe eine Idee, wie ich behilflich sein könnte.“ Beide stimmen zu. „Herr Machmal, ich starte mal mit Ihnen, OK?“ Er stimmt zu. „Dann möchte ich mich einmal neben Sie setzen, OK?!“ Er stimmt zu und jetzt rutschte ich meinen Stuhl schräg hinter seinen. „Und Sie sagen mir bitte falls ich Ihnen zu nahe komme!“

Falls die Klienten Fragen zum Verfahren haben, sollten wir ihnen das Vorgehen als eine Form des Hilf-Ichs transparent erklären.

2. Schritt: Auf der Oberflächenschicht auf den Punkt kommen

Herr Machmal sagen Sie bitte Ihrer Frau das noch einmal wo Sie eben stehen geblieben waren. Nun wird er loslegen und zu seiner Frau mehrere Sätze sagen, in denen er sich auf der Oberflächenschicht wiederholt oder widerspricht oder unklar bleibt. Die begleitenden Affekt (Tiefenschicht) bleiben ebenfalls diffus. Man könnte erahnen, was er in seinen Tonfall hineinlegen möchte.

Jetzt bitte ich ihn das Gleiche mit einem Satz zu sagen, aber zunächst einmal zu überlegen, was das Wichtigste sein mag, was er eben sagen wollte. Herr Machmal und ich „basteln“ nun an dem inhaltlichen „Konzentrat“ seiner Botschaft. Wenn wir einen für ihn stimmigen Satz gefunden haben, bitte ich ihn, diesen nun seiner Frau zu sagen.

3. Schritt: Auf der Tiefenschicht den Affekt identifizieren

Herr Machmal sagt nun den Satz, den wir gefunden haben. Ich höre zum Beispiel so einen vorwurfsvollen Unterton, der sicher zu seiner Stimmung paßt, aber es seiner Frau schwer machen dürfte, auf seinen Inhalt zu hören und einzugehen. Ich bitte Herrn Machmal, sich selbst bei seinem Satz zuzuhören, wenn er den jetzt nochmals sagt. Wenn ihm selbst der Tonfall nun nicht gefällt, umso besser. Fällt ihm nichts auf, kann ich sagen:“ Herr Machmal, ich verstehe es ja, aber da schwingt ein Vorwurf mit, der es Ihrer Frau schwer machen dürfte, klärend zu antworten oder darauf einzugehen. Wie können Sie ihren Tonfall so wählen, daß die Botschaft bei Ihrer Frau so Gehör findet, wie Sie es sich wünschen?!“ Nun sagt Herr Machmal die Botschaft und hört sich selbst zu bis er einen für ihn stimmu´igen Tonfall gefunden hat, von dem nun annehmen kann, daß er keine unerwünschten Nebenwirkungen erzeugt. Er sagt nun in einem letzten Schritt seinen bedeutsamen Satz.

4. Schritt: Zum Adressaten wechseln

Während ich mit Herrn Machmal an seinem Satz gefeilt habe, beobachtete ich beiläufig die Reaktionen seiner Frau (Adressatin). Ich bedanke mich kurz bei Herrn Machmal und wechsel meinen Stuhl schräg hinter Frau Machmal und das gleiche Prozedere verfolge ich nun mit ihr, indem ich auch sie unterstütze, das kongruent zu sagen, was sie sagen will.

 

Formen der Doppelinterventionen

Selbstklärungsdoppeln (bei Grawe motivationale Klärung)

Die Selbstexploration des Protagonisten fördern, den Kontakt zu sich selbst herstellen, sich selbst besser zu verstehen.

Einsicht in seine Haltungen und in die Hintergründe seiner Verhal­tensweisen zu gewinnen.

Doppeln immer in der Ich-Form!

Anders als beim Paraphrasieren kann der Berater hier zu Herrn Machmal so in der Ich-Form sprechen, als wäre er Herr Machmal selbst.

Empathisches Doppeln

Doppeln dient sowohl der Klärung der Kognitionen (Oberflächenschicht) als auch der Klärung der Affekte, d.h. der Berater ist gefordert, sich mentalisierend in Herrn Machmal einzufühlen.

Unterstützendes und ermutigendes Doppeln

Wenn ich spüre, daß Herr Machmal etwas sagen möchte, vor dem er sich scheut oder fürchtet oder immer schon mal sagen wollte, habe ich die Wahl, daß wir beide dem zunächst auf den Grund gehen oder ich unterstütze ihn bei einem Probehandeln.

Ich kann Herrn Machmal ermutigen. Er kann das auch erst einmal mir gegenüber formulieren und sagen, bevor er sich an sein Frau wendet. Als Berater schenke ich ihm Vertrauen und Sicherheit. Ich bin an seiner Seite, egal was auch geschehen mag.

Merke: Das empathische Doppeln führt zur Selbsterkenntnis, das interaktionell mitagierende unterstützende Doppeln zur Selbstverwirklichung.

Drastifizierendes Doppeln

Es kann sein, daß Herr Machmal seiner Frau etwas sehr Bedeutsames sagen möchte, es jedoch begatelisierend oder verniedlichend rüber bringt. Wenn ich nun mentalisiere, daß ein eher „starker“ Affekt vermieden wird, könnte ich wiederum in der Ich-Form für ihn einen Probesatz zu seiner Frau formulieren. Natürlich habe ich zuvor Herrn Machmal, sollten wir uns noch nicht solange kennen, um Erlaubnis gebeten. Wenn wir schon eine tragfähige Arbeitsbeziehung haben, kann ich das auch ohne Vorerlaubnis wagen.

Ich sage also in der Ich-Form eine dramatisierende Botschaft und fragen dann Herrn Machmal, ob er so gemeint haben könnte.

Fern-Doppeln

Der Berater verrückt nicht seine Stuhlposition, sondern bleibt da wo er immer sitzt und doppelt sozusagen von Ferne. Beispiel: Eigentlich will Herr Machmal etwas sagen, schaut aber vbor sich auf den Boden und ringt um Worte. Nach angemessener Zeit, Herr Machmal findet immer noch keine Worte, könnte der Berater z. B. sagen: „Wenn ich jetzt so auf den Boden schaue, dann möchte ich am liebsten …“ oder etwas Ähnliches, was zu Herrn Machmals Situation passend scheint. Anderes Beispiel: Herrn Machmal kräuselt die Stirn bei dem was seine Frau gerade sagt. Er geht aber nicht drau ein, sondern will den Fokus, das Thema, die Baustelle wechseln. Dann könnte der Berater stoppen und sagen: „Bitte warten Sie. Ihre Stirn kräuselte sich bei dem was Ihre Frau gerade sagte. Fassen Sie bitte mal das Stirnkräuseln in Worte.“ oder „Ihr Stirnkräuseln, was will das Ihrer Frau sagen?“

 

Doppeln in Co-Beratung

Wenn man alleine mit Paaren und Familien arbeitet und will doppeln, muß man ziemlich beweglich sein. Hilfreich ist es um das Setting herum griffbereite Stühle stehen zu haben, die man sich nur heranziehen muß, wenn man sich hinter ein Familienmitglied zum Doppeln setzen will.

Einfacher ist es da, wenn man zu zweit in Co-Beratung arbeitet. Dann kann der Berater mit Herrn Machmal doppeln und die Beraterin kann mit Frau Machmal doppeln.


(1) Karl Benien, Beratung in Aktion, S. 36ff.