Gegenübertragung – Übung 2

Der psychoanalytische Ansatz und die Bindungstheorie unterstellen, daß jedes menschliche So-Sein durch Beziehungen zu anderen Menschen geprägt ist. Psychoanalytische Therapie besteht dann im Prinzip darin, alle bisher prägenden Beziehungserfahrungen eines Menschen zu analysieren, sie durch Rekonstruktionen bewußt zu machen und auf diesem Wege Beziehungserfahrungen mit ungünstiger Prägung für das aktuelle Leben zu eliminieren. Systemische Beratung und Therapie suchen nach Kontextbedingungen, Auftragslagen und Lösungen, die ebenso zum Ziel gelangen.

Jede Beratung ist nun selbst wieder interaktives Geschehen, so daß Auseinandersetzungen mit der Beratungsbeziehung eine zentrale Rolle spielen. (siehe Klaus Grawe. Wirkfaktoren der Psychotherapie: Die Arbeitsbeziehung.) Wir nehmen also an, daß sich die historischen Beziehungserfahrungen eines Menschen in Therapie und Beratung mehr oder weniger plastisch abbilden, weil aktuelles Handeln in Beziehungen immer aus bisherigen Beziehungserfahrungen resultiert.

(1) Übertragungs-/Gegenübertragungsansätze erklären, wie Interaktionsmuster, die anläßlich früherer Sozialerfahrungen gebildet wurden, in neuen Beziehungskonstellationen unbewußt wiederholt werden. Dabei bietet eine Person ihrem Gegenüber alte Interaktionsmuster an, was als „Übertragung bezeichnet wird. Wenn die andere Person auf diese Muster im Sinne der erwarteten Haltung reagiert, bezeichnet man das als „Gegenübertragung.“

Übungsaufgabe 1.: Hast Du schon einmal einen Kunden erlebt, dem Du gar nichts Böses wolltest, der Dir unterstellt hat, daß Du auf ihn schlecht zu sprechen seiest, daß Du ihn abwerten würdest usw.
Hast Du
schon erlebt, daß dieser Mensch auf seiner Perspektive beharrte und Du keine Chance hattest, ihn eines Besseren zu belehren?

Versuche Dich bitte möglichst genau zu erinnern, wie Du auf Dein Gegenüber eingegangen bist und wie Du diese Interaktion mit dem besagten Kunden  insgesamt erlebt hast. Diskutiere bitte diese Erfahrung in Deiner Lerngruppe.

(2) Demgegenüber beschäftigen sich Widerstands-Konzepte mit der Frage, wie und warum Menschen konstruktive Verständigung im Sinne von Kommunikation und Kooperation in Beziehungen vollständig oder partiell blockieren, ohne diese Haltung als beabsichtigte zu vertreten oder sie gar begründen zu können. Auch hierbei wird unterstellt, daß es sich um unbewußte Muster handelt, die in früheren Entwicklungsstadien gebildet wurden.

Übungsaufgabe 2.: Hast Du schon einmal erlebt, daß ein Kunde immer wieder zu spät kam und in anderer Weise notorisch nachlässig war und trotz guten Zuredens und trotz vieler selbst gefaßter guter Vorsätze dieses nachlässige Verhalten nicht einstellte?

Erinnere Dich bitte möglichst genau an diesen Kunden und diskutiere in Deiner Arbeitsgruppe, wodurch dieses Verhalten wohl verursacht oder bedingt war.


siehe https://www.schreyoegg.de/content/view/78/35/