Theoriebildung – Geschwisterpositionen II

An den Beziehungen zu unseren Geschwistern lernen wir unser Grundmodell für unsere Beziehungsmuster in Peergruppenkontexten. Denn als Kind absolvierten wir schon früh ein intensives Rollentraining in sozialen Beziehungen, täglich, in vielen Situationen. Was könnte uns geprägt haben? Mit welchen Auswirkungen müssen wir rechnen?

berufliche Rolle

Wir tun vermutlich gut daran, uns selbst immer wieder einmal zu überprüfen, wie unsere frühen Geschwistererfahrungen (oder Einzelkinderfahrung) korrespondieren mit unseren heutigen beruflichen Beziehungen zu den Kolleginnen unseres Teams und noch viel mehr zu unseren Klientinnen bzw. Kund*innen. Wenn ich als älteste Schwester mit 2 jüngeren Brüdern aufgewachsen bin und treffe heute auf einen jüngeren männlichen Klienten … Wenn ich als Erstgeborener mit einer 9 Jahre jüngeren Schwester aufgewachsen bin und treffe auf eine 10 Jahre jüngere Klientin …

Ich möchte zunächst auf andere Websites hinweisen, die das Thema schon behandelt haben:

Zum schnellen Einlesen mit einem guten Überlick siehe bei Roland Kopp-Wichmann. Wie die Geschwisterpoistion die Karriere und die Beziehungen beeinflußt.

Für Coaching-Interessierte bietet Astrid Schreyoegg den Artikel an Die Bedeutung von Familienbeziehungen im Coaching*. Sehr differenziert und lesenswert! Beim Menü „ausgewählte Aufsätze“ findest Du noch mehr zu anderen Coaching Themen.

Partnerwahl

Geschwisterbeziehungen ebnen auch den Weg für Paarbeziehungen. (McGoldrick. S. 143) An ihnen üben wir, die wechselseitigen Abhängigkeiten auszuhalten und das Prinzip der Gegenseitigkeit anzuerkennen.

Wir fühlen uns in späteren Paarbeziehungen am wohlsten,
die unsere Geschwisterbeziehungen wieder abbilden und „ergänzen“.

Erfolgversprechend wäre z. B. ein Mann, der ältester Sohn mit jüngerer Schwester ist, in der Paarbeziehung mit einer Frau, die jüngste Schwester eines älteren Bruders ist.

Diese komplementäre (Geschwister-) Beziehung ist keine Garantie, sorgt aber für Vertrautheit.

Symmetrische Konstellationen sind am wenigsten einfach:

Die am wenigsten erfolgversprechende Beziehung könnte sich zwischen der jüngsten Schwester von vielen Schwestern und dem jüngsten Bruder von mehreren Brüdern entwickeln, da keiner von beiden Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht entwickeln konnte und beide das verwöhnte Kind spielen könnten, das auf einen Versorger wartet.

Nicht einfach dürfte auch die Beziehung von zwei ältesten Geschwistern werden, weil das Risiko besteht, daß beide um einen Führungsanspruch kämpfen werden.

Elternrolle

Mit dem Kind, das die gleiche Geschwisterposition und das gleiche Geschlecht besitzt, können sich Eltern leicht überidentifizieren und sich gegenüber den anderen Geschwisterkindern zu wenig identifiziert zeigen.

Verschärfend könnte sich auswirken, wenn Eltern versuchen, die Muster ihrer Herkunftsfamilie aufrechtzuerhalten (Eltern – Kinder, Geschwisterkonstellationen).

In anderen Fällen kann die Kindersituation so andersartig sein, daß Eltern ein Modell und die Erfahrung fehlt: Vater als Einzelkind interpretiert die normalen Geschwisterkämpfe seiner Kinder pathologisch oder bedrohlich.

Elterliche Programmierung eines Kindes (McGoldrick. S. 147)

Auf Kinder, die einem bestimmten Familienmitglied besonders ähnlich sehen, können bestimmte Erwartungen übertragen werden.

Das Temperament eines Kindes zu denen der Geschwister kann so sehr anders sein und nicht den Erwartungen entsprechen.

Es gibt Kinder, die die ihnen zugewiesenen Geschwisterrollen nicht erfüllen wollen oder können, z. B. bei einem Handicap oder später, wenn ein Kind den Familienbetrieb nicht übernehmen oder eine traditionelle Rolle nicht übernehmen will.

Es gibt (große) kulturelle Unterschiede bei den Erwartungen, die sich an Rollen knüpfen.

Namen geben manchmal Hinweise auf familiäre Programmierungen und Zuschreibungen.

Geschwisterposition des Kindes im Verhältnis zur Geschwisterposition der Eltern, z. B. der älteste Sohn eines ältesten Sohnes ….

Literatur

Monica McGoldrick u. a. Genogramme in der Familienberatung. Bern 2009
Dieses Buch ist ein MUSS für jede/n familiensystemisch orientierte/n Berater*in.