Ziele klären  

„Wenn eine Therapie richtig enden soll, dann muss sie richtig beginnen – indem man ein lösbares Problem aushandelt.“ Jay Haley

Funktion von Zielen

Komplexitätsreduktion: die Komplexität in der Arbeit mit sozialen Systemen ist gerade in der Sozialarbeit oft hoch, erst Recht dann, wenn wir es mit Multiproblemlagen zu tun haben. In der Gegenübertragung spüren wir dies, wenn sich ohnmächtige Hilflosigkeit in uns breit macht und wir gar nicht wissen, wo wir beginnen sollen. So geht es dann wohl der Klientenfamilie auch. Wir könnten eine Sammlung oder Auslistung der Problemlagen gemeinsam mit der Familien erstellen, müssen dann aber damit rechnen, daß das gesamte Beratungssystem (Familie+Berater*in) in Depression versinkt. Um dort wieder herauszukommen, machen wir eine Kehrtwende, denn am Ende des Problemtunnels und darüber hinaus in der Landschaft des alltäglichen Lebens befinden sich die Ziele unserer gemeinsamen Beratungsreise. Befinde ich mich auf dem Bahnhof am Gleis 9 3/4 und weiß nicht, wo die Reise hingehen soll, werde ich ziemlich lange und irgendwann ziemlich dumm herumstehen. Wir machen uns daher über die Entwicklung und Auflistung möglicher und wünschenswerter Ziele und Zielzustände her. Damit operationalisieren wir die Komplexität und können sie durch Selektion reduzieren, indem wir – das Beratungssystem – überlegen und entscheiden, welche Ziele sind wann sinnvoll und wichtig, welche sind da, aber können noch warten. Wünschenswerte Reiseziele wird man ja auch nicht an einem Tag und auf einer einzigen Reise angehen und erreichen.*

Wegführen von Problemtrance hin zu Visionen: Mit der Beschäftigung von Zielen (z. B. innerhalb und außerhalb des Familiensystem etwas anderes zu tun) und Zielzuständen (affektive Auswirkungen) weiten sich Blick und Horizont und der Tunnelblick wird zu Lösungstrancen umgewandelt.

Damit Ziele neue Optionen eröffnen, können müssen sie möglichst konkret formuliert werden.

Bei der Erarbeitung von Zielen ist es wichtig, auf den Überweisungskontext zu achten!

Wer, außer der Familie hat noch Ziele, die das System erreichen soll?
Inwiefern sind diese fremdbestimmten Ziele kompatibel?
Wenn nicht – welche Rolle (Funktion) spielt diese Divergenz auf den Beziehungsebenen innerhalb des Familiensystems und außerhalb zum Berater?

Ziele sind abhängig von der Motivation der Familienmitglieder und des Familiensystems:

Stärkung aller Individuen
Als Grundvoraussetzung für eine konstruktive Kommunikation muss sich die Einzelnen im System als eigenständige und wertgeschätzte Persönlichkeiten erleben können. Dann sind sier dazu in der Lage, ohne schädigende Nebenwirkungen Beziehungen aufzubauen und zu stabilisieren. Deshalb ist ein Ziel der Systemischen Familienberatung, den Familienmitgliedern dabei zu helfen, Selbstwert** und Autonomie zu entwickeln.

Lösen dysfunktionaler eingefahrener Beziehungsmuster
Oft stecken Familien in Zuschreibungen und Beziehungsmustern fest, die sich im Lauf der Zeit entwickelt und so stabilisiert haben, dass sie immer wieder zirkulär ablaufen. Um den konstruktiven Austausch zu fördern, sollten diese Beziehungsmuster erkannt und verflüssigt werden, damit neue konstruktive Möglichkeiten der Kommunikation möglich werden.

Bearbeitung von Konflikten
Wenn ein Konflikt mehrere Menschen bzw. ein Familiensystem betrifft, so müssen sie gemeinsam an seiner Lösung arbeiten, wobei es in der Familienberatung primär um die Entwicklung von Kooperation und mentalisierendem (epistemisches Vertrauen***) Verstehen (selbst- und fremdreferentiell) geht und weniger um die Inhalte der Konfliktlagen.


* Ich habe von 2002-2016 in der Beratungsstelle gegenüber der SBahn Haltestelle Erkrath-Hochdahl gearbeitet, was mich animiert hatte, gelegentlich zu dieser Reisemetapher zu greifen: „Wenn wir also dort drüben auf dem SBahnsteig stehen und nicht wissen, wo wir beide hinwollen, dann …“

** Die „Mutter“ der Familientherapie hat dazu ein ganzes Buch geschrieben: Virginia Satir. Selbstwert und Kommunikation.

„Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist, gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist, den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren. Wenn dies geschieht, entsteht Beziehung“ Virginia Satir

*** Epistemisches Vertrauen ist das basale Vertrauen in eine Person als sichere Informationsquelle