Wenn wir damit rechnen müssen, daß sich Symptome und Probleme möglicherweise nicht dauerhaft beseitigen lassen, weil sie wiederaufleben können, sollten wir sie utilisieren: Was kann das Verdienst von Symptomen und Problemen sein? Was sagen sie über deren Leistungen und Bedürfnisse aus? Wenn wir diese Konstruktion wählen, können wir anerkennen, daß Symptome und Probleme zu einer bestimmten Zeit und in dem spezifischen Kontext Sinn machten und eine Lösung darstellten (z.B. kann eine heftige Angstreaktion sicherstellen, daß man sich schützt). Da Menschen jedoch offenbar dazu tendieren, auf bestimmte Probleme (1. Ordnung) einmal sehr erfolgreiche Lösungen (1. Ordnung) auch auf andere Kontexte zu übertragen, können aus diesen dann später dysfunktionalen Lösungen neue Probleme entstehen (2. Ordnung), die die Suche nach ganz anderen Lösungen oder Erleben (2. Ordnung) erfordern.
Wir brauchen daher eine Balance zwischen den alten Problemen oder Symptomen und den neuen Lösungen oder dem neuen Erleben.
Für die Handhabung einer solchen Balance müssen wir nun eine weitere Instanz einführen, den inneren Beobachter mit den folgenden Kompetenzen:
- „Sie (die Menschen mit dem i. B.) besitzen einen größeren Überblick über innere Prozesse“ als Klienten ohne inneren Beobachter.
- „Sie sind wenig bis überhaupt nicht emotional involviert.“
- „Man kann mit ihnen in Kontakt treten, so daß sie ihr Wissen mitteilen können.“
- „Sie können als Kooperationspartner in die“ Arbeit „mit einbedungen werden.“
- Siehe Fritzsche u. Hartman. Einführung in die Ego-State-Therapie. Carl Auer. Seite 91
- Gunther Schmidt spricht von einer „sicheren Beobachterposition“ des Ichs, so daß nicht mehr das Ich die Probleme hat, sondern diese unterschiedlichen Seiten der Persönlichkeit zugeschrieben werden und das Ich mit seiner Beobachterposition eine Moderatorenfunktion oder eben einen inneren Berater einnimmt.
- Gunther Schmidt. Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung. Carl Auer. Seite 94 ff
Haben wir Probleme und Symptome vom ganzheitlichen Ich dissoziiert* und das Modell der eigenen Seiten eingeführt, können wir mit den Klienten erarbeiten, welche Seiten sie mit welchem Problemerleben oder Symptomerleben verbinden: „Als besonders effektiv erweist es sich, den KlientInnen anzubieten, die leidvollen Prozesse als das Erleben einer ‚Seite‘ von ihnen anzubieten. Dies wird ihnen meist augenblicklich plausibel, da sie fast immer das erlebte Leid sofort innerlich kommentieren, meist mit Ärger, Wut, Verzweiflung und Selbstbeschimpfungen. Auch diese Prozesse werden als Ausdruck einer (allerdings einer anderen) Seite definiert, so daß beschrieben werden kann, daß eine Seite leidet oder das Leid macht, eine andere aber dies gerade bekämpft. Die Beschriebung von Seiten führt sofort zu einer befreienden Dissoziation, die leidvollen Prozesse werden in entlastender Weise als weiter weg vom „Ich“ erlebt, die Identifikation mit dem Leidvollen wird drastisch reduziert, wodurch das erlebte Leid intensiv verringert werden kann.“ (S. 96)
Schmidt plädiert dafür, und ich schließe mich dem an, den Klient:innen diese Vorgehensweise psychoedukativ transparent zu erklären. Er nennt dies „Produktinformationen“. (ebd.)
*_siehe Abschnitt Neodissoziationstheorie. Seite 98 ff in Dirk Revenstorf Hrsg. Klinische Hypnose. Springer 1993
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