Für die Gespräche mit Familien benötigen wir zunächst einen geeigneten Raum. Ich hörte von einer Stadt, die ich hier nicht unnötig brüskieren möchte, die ein neues Rathaus baute, in dem auch das Jugendamt untergebracht werden sollte. Es stellte sich heraus, daß die Büros der Jugendamtsmitarbeiter so „groß“ waren, daß man noch nicht einmal mit einem Kinderwagen in das Zimmer kam, geschweige denn eine Familie mit 4, 5 oder gar 6 Personen empfangen konnte. Da hat jemand nicht nachgedacht bzw. hatte keinen familiensystemischen Blick.
Für eine Familie mit 4 Personen und 2 BeraterInnen benötigen wir mind. einen Raum mit 5 x 5 m Minimum.
Die Faustregel
x Familienmitglieder + y BeraterInnen = Z² -> R m² = Raumgröße.
So einfach in der Theorie. Beispielrechnung
4 Familienmitglieder + 2 BeraterInnen = 6² -> 36 m² = Raumgröße.
Die Familie kommt an und wir führen Sie in den Raum mit R m².
In diesem Raum stehen Z Stühle angeordnet nach den Subsystemen in einem Stuhlkreis:
Optisch sieht es aus, wenn man den Raum betritt, in der Tat wie ein normaler Stuhlkreis. Für die Co-Berater hat dieser aber eine Ordnung – die Subsysteme sind zueinander positioniert.
Betritt die Familie nun diesen Raum und sieht diesen Stuhlkreis, haben wir 2 Möglichkeiten der Platzzuweisung:
- Bitte nehmen Sie alle in der Runde schon einmal Platz. Wir brauchen noch ein Paar Minuten und kommen gleich. Damit verlassen wir den Ort des Geschehens und überlassen es der Familie, wohin sie sich setzen möchten, denn sie wissen ja nichts über die Aufteilung nach und die Zuordnung zu Subsystemen.
- Oder wir „spielen Platzanweiser“ und weisen jedem Familienmitglied einen Platz zu, indem wir zugleich seine Subsystemrolle kommunizieren: Frau M., als Mutter und Ehefrau nehmen Sie bitte hier Platz; Herr M. als Vater und Ehemann nehmen Sie bitte hier Platz; Max* als Sohn und Bruder nimmst Du bitte hier Platz; Inge als Tochter und Schwester setz Dich bitte hier hin.
zu 1. Es kann manchmal in Bezug auf die Konstellation familiärer Beziehungen aufschlußreich sein, zu erleben und zu beobachten, wie sich eine Familie in die zur Verfügung gestellte Runde setzt: platziert sich der IP (Max) zwischen die Eltern, setzt sich der Vater abseits und mehere Stühle sind zw. ihm und seiner Frau, setzt sich Tochter Inge … aus alldem lassen sich erste Hypothesen bilden.
zu 2. Es kann aber auch sein, daß eine Familie vor lauter Verunsicherung froh ist, daß sie Plätze zugewiesen bekommen, weil Berater mit dieser Anfangsintervention zeigen, daß sie ihr Handwerk verstehen und damit Sicherheit vermitteln.
Ihr versteht: ich möchte damit keine Regeln aufstellen, weil Menschen kein Maschinen sind. Viele Wege führen auch hier nach Rom. Wenn Ihr beginnt, mit diesem Setting zu arbeiten, befindet Ihr Euch im allseits bekannten Therapeutendilemma. Ihr müßt leider Eure eigenen Erfahrungen mit den unterschiedlichen Konstellationen machen, so daß Ihr nach und nach ein Gespür dafür bekommt, was wann bei wem einen Sinn macht.
Haben evtl. im Vorfeld bekannte Ausgangslagen (z.B.: Ist eine der Teilnehmerinnen Initiatorin des Gespräches? Oder gilt eine Teilnehmerinnen als Problemträgerin? usw.) Einfluss auf die Sitzordnung?
Die Ausgangslagen haben keinen Einfluß auf die Sitzordnung, gerade weil wir ja diagnostisch nichts Gesichertes wissen, sondern erst das System kennenlernen möchten.
„… gilt eine TeilnehmerIn als Problemträgerin?“ ist eine aus Sicht der Familie verständliche Konstruktion. Unsere familiensystemische Sicht ist jedoch, was tragen alle dazu bei, daß „es so weit kommen konnte“, nicht wie ist das Problem entstanden, sondern wie wird es aufrechterhalten und was brauchen sie für ihre Beziehungsgestaltung, um sie ohne Leid hinzukriegen.