Ericksonsche Therapieprinzipien*
Ericksons Vorannahmen:
- Das Unbewußte ist eine Quelle der Unterstützung.
- Probleme entstehen aufgrund erlernter Beschränkungen.
- Das Gespräch mit oder ohne Trance stellt den Rahmen, um Beschränkungen zeitweilig aufzuheben und neue Muster auszprobieren.
- Die Ambiguität (Mehrdeutigkeit) in hypnotischen Sprachmustern bewirkt folgenden Mechanimus: Das Unbewußte hört alle möglichen Tiefenstrukturen aus den unvollständigen Oberflächstruktren. Dies führt zum einen zu einer Konfusion, zum anderen auch zur Lockerung der bisherigen einschränkenden Annahmen und zur Förderung der Kreativität. Zu den Sprachmustern kommen wir in den weiteren Beiträgen noch.
Utilisation
Die Arbeit wird grundsätzlich den Möglichkeiten des Klienten angepaßt. Dazu werden die begrifflichen Kategorien, seine Werte, sein kognitiver, emotionaler und interaktiver Stil soweit wie möglich genutzt. Dazu gehören Pacing und Leading, die Inkorporation unvorhergesehener Reaktionen (1), die Umdeutung scheinbarer Hindernisse und Lösungen 2. Ordnung (2).
Dazu gehört auch die Utilisation von Widerständen, d. h. die Nutzbarmachung von Widerständen, die zw. Berater und Klient entstehen können – eine gewisse Kunstfertigkeit, die geübt sein will. Die folgende Anekdote soll dies veranschaulichen: Die Eltern hatten eine Farm gekauft. Der Vater kam vom Markt zurück, auf dem er einen kleinen Esel gekauft hatte. Vater führte den Esel aus dem Anhänger heraus in den Stall. Auf dem Weg dahin bockte der kleine Esel und mochte nicht weiter voran gehen. Der kleine Milton soll zu seinem Vater gesagt haben: Papa, ich habe eine Idee. Lass den Esel mal los. Worauf der kleine Milton den Esel am Schwanz gezogen haben soll und der Esel doch nach vorne in den Stall ging.
Minimale strategische Veränderung
Veränderungen werden an der Stelle eingesetzt, wo nur geringer Widerstand zu erwarten ist. Eine geringfügige Veränderung an der richtigen strategischen Stelle kann ausreichen, das Gebäude der Problemerhaltung zu erschüttern und eine Neuorganisation auslösen.
Destabilisierung
Um dem Klienten eine Veränderung zu erleichtern, kann es unter Umständen hilfreich sein, durch eine Konfusion ein tradiertes Denkmuster zu labilisieren. Dies hilft dem Patienten, Konzepte umzustrukturieren, neue Information zu rezipieren und kreative Problemlösungen zu finden.
Beiläufigkeit
Die für die Veränderung wichtigen Imaginationen und Suggestionen werden beiläufig geäußert: indirekt, als Methapher, eingestreut, anekdotisch usw.. Sie werden auch dann registriert, wenn sie nicht bewußt wahrgenommen werden. Sie entgehen aber damit einer Entwertung durch obsolete Denkgewohnheiten des Patienten. Die theoretische Annahme ist, daß das Individuum unbewußt über die Nützlichkeit der beiläufig aufgenommenen Informationen entscheidet.
Mir sind immer mal wieder Klienten irgendwo in der Stadt begegnet und sagten: „Ach, Herr Stratmann, wie schön Sie zu sehen. Wissen Sie noch, damals haben Sie zu mir …. gesagt. Und dann habe ich …. gemacht. Das hat alles verändert.“ Zumeist konnte ich mich an meine offenbar beiläufig geäußerte Bemerkung nicht erinnern, aber für den Klienten hatte sie etwas Bedeutungsvolles.
Bahnung/ Vorprägung
Hinweise, Suggestionen und Imaginationen werden mit größerer Wahrscheinlichkeit rezipiert, wenn sie phonetisch oder semantisch oder durch andere Bilder, Metaphern oder Kontexte gebahnt sind.
Unterbrechung gewohnter Muster
Denk-, Wahrnehmungs- und motorische Gewohnheiten sollen an den kritischen Stellen unterbrochen werden. (Siehe z. B Die Tränenfrau)
Wiederholte Problembeschreibungen führen zu weiterer Festigung neuronaler Speicherung. Es ist häufig eine Gradwanderung. Soll und kann ich zur Würdigung des Leids zulassen, daß wir auf die Problembeschreibung eingehen oder trage ich zur Problemtrance bei.
Erschließung von Ressourcen
Ausgegrenzte Lebenserfahrungen, positive Erlebnisse, die für die Bewältigung einer bestimmten Problemsituation nützlich wären, können durch Erinnern an diese frühere Zeit (Regression) zugänglich gemacht werden und dann mit der Problemsituation reassoziiert werden. Manchmal lassen sich durch diese Erinnerung neu kreiierte Erlebenskonzepte integrieren.
Dekonstruktion
Traumatische oder defizitäre Lebenserfahrungen können durch Dekonstruktion und Ergänzung fiktiver aber in sich schlüssiger Elemente abgeschlossen, umgedeutet oder gelindert werden. Bestehende Narrationen können umerzählt werden.
Reorientierung in der Zeit
Bei affektiv belastenden Problemen kann es hilfreich sein, statt die Lösung in der Gegenwart zu erzwingen, die Person in ihrem Denken, Fühlen und Imaginieren auf die Vergangenheit bzw. auf die Zukunft zu lenken und damit neue Wege einer Problemsicht und Lösung zu gehen.
Schutz des Unbewußten
Gefundene Lösungen können schmerzlich oder auch schwer hinnehmbar sein. Es gilt, den Schmerz angemessen zu würdigen. Es kann für die Problembearbeitung hilfreich sein, die Erinnerung begleitender Affekte durch Ablenkung zu schützen.
*_ Wie schon an anderer Stelle vermerkt: Ich halte die Schnittmengen Systemischer Betreuung, Beratung, Supervison, Coaching oder Therapie für bedeutsamer als die jeweiligen spezialiserten Unterschiede.
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